Freitag, 13. Juli 2012

Facebook - Normalität mit der wir Privates an den Mann bringen

"Oh Schatz, Du bist die Welt für mich". Pierre hat eine neue Freundin und ist mit mir auf Facebook befreundet - ich habe ihn vielleicht zweimal gesehen und die Information, dass er besagte Freundin hat, ist für mich in erster Linie freudig aufzunehmen. Ja, es freut mich, dass Pierre jemanden gefunden hat.

Doch seit es seine Freundin gibt, bin ich überinformiert über sein Liebesleben. Wann Pierre wirklich wie sein Liebesleben auslebt - das möchte ich eigentlich nicht wissen. In Wirklichkeit glaube ich will er es auch nicht wissen und ignoriert stoisch die Posts seiner Freundin, die ihm täglich und für alle sichtbar berichtet, wie wunderbar die gemeinsame Nacht für sie war und, dass der Besuch beim Gynäkologen positiv ausgefallen ist.
Das schätze ich ebenso wie der Vortrag einer Kollegin, sie wäre im Urlaub von einer Mücke beim Wildpinkeln in den Venushügel gestochen worden und das würde schrecklich jucken und sie habe sich ständig an besagter Stelle kratzen müssen. Ja - Danke für die Information. Aber ist das eine Information, die ich wirklich brauche? Wo steckt darin der Servicecharakter, den ich bei Informationsaufnahme verlange?
Es sind diese Situationen, in denen ich einfach mal ganz laut "Fresse halten!" in den Raum brüllen möchte - und das leider bei Facebook. Da kommt "Fresse halten!" auf meiner Pinnwand nicht gut an, befürchte ich.

Den Bock abgeschossen hat mein guter Freund John, ein netter, kleiner Engländer, den ich nach einer Party auf halbem Weg zwischen seiner Arbeitsstadt Brüssel und meiner Stadt traf. Roermond war ungefähr die Mitte, wir verbrachten einen herrlichen Tag, ruderten auf einem kleinen See, gingen in Unterwäsche baden. Der Abend endete auf dem Roermonder Marktplatz beim Finale der Fußball-WM Holland-Spanien mit einem unbeholfenen Kuss, der mir leider nicht schmeckte.
Das ist drei Jahre her und seither ist John verliebt - es gab genau einen Kuss und seither gibt es kein Halten mehr.
Leider genehmigt sich John gerne Abends einen Drink zuviel und wird dann ausfallend - per persönlicher Facebook-Nachricht. Schließlich ginge ich nicht auf seine Werbung ein. Nach etlichen Tritten in den Arsch - bekomme ich vor zwei Wochen eine neue Nachricht.
Es ist der Heiratsantrag auf den ich gewartet habe - "Will you marry me?" Er spricht von einem großen Haus in Brüssel und davon, sein Vater wäre schwer krank.
Alles nachvollziehbar - aber per Facebook? Ein Heiratsantrag ohne, dass ich jemals morgens neben meinem Zukünftigen aufgewacht bin? Den ich zweimal im Leben gesehen habe?
Ich bin nachhaltig schockiert.
In diesem Sinne, werde ich ihm nun antworten. So im Raum stehen lassen kann noch nichtmal ich einen Heiratsantrag!


Donnerstag, 5. Juli 2012

Weltmeister im Rumstehen

Ach Du liebes Bisschen, was ist los mit uns Deutschen? Sind wir die Weltmeister im Rumstehen, im Fußball noch nicht mal Vize? Was ist so schwer daran, beim Aussteigen aus der Bahn einfach weiterzugehen und Platz für die Nachwelt zu machen?

Nein, da wird sich hingestellt, die Hände in die Hüften gestemmt, das Handy aus der Tasche gekramt und sich orientiert - hintendran stehen vier schwitzende Menschen mit Riesenkoffern. Ich verstehe, wenn das einer 80-jährigen Oma passiert, deren analoge Welt sich in den letzten Jahren auf digital umgestellt hat und sie von Screens, blinkenden Uhrzeigern und telefonierenden Menschen umstellt ist.

Ich verstehe es aber nicht, wenn das dem Mitreisenden Unternehmensberater passiert - der ohne Zweifel auch schon hinter der reisenden Japanerfamilie im Inneren eines Zuges gewartet hat - just in dem Moment, in dem es darum geht, sich vom Trittbrett des Zuges zu verpissen, den Koffer abstellt um den wichtigen Hinterher-zieh-Griff aus dem Fahrgestell zu ziehen. Was ist so schwer daran ist, den Koffer drei Meter weiter zu tragen.

Ich frage mich immer wieder - bin ich zu ungeduldig? Bin ich zu weit in diese digitale Welt eingetaucht? Geht das alles nur mir so?
Ich gebe zu, wenn der ICE-Schaffner mir auf Englisch erzählt, zu welchen Sonderkonditionen ich die Curry-Sausage in the Bordbistro bekomme, wird mir latent schlecht und ich stopfe mir die Kopfhörer, die an mein Laptop angeschlossen sind, tiefer in die Ohren und hoffe auf Besserung.
Ist es unhöflich von mir in Bochum auf dem Weg nach Stuttgart den nach Achselschweiss stinkenden Herrn, der im Schlaf die Arme hinter dem Kopf verschränkt zu wecken und zu sagen: "Wenn Sie die Arme an den Körper anlegen, kommen wir beide glücklich an"?

Ich muss gleich aus dem Zug aussteigen - nicht, weil der Mann neben mir handgreiflich geworden ist, sondern weil ich da bin - pünktlich heute - Gratuliere, Deutsche Bahn! Ob ich wohl länger auf dem Trittbrett verweile - fragt sich das liebeBISSchen